Entwurf vom 17.11.2025 (noch nicht final)

Hintergrund

Ein Wandel im Ernährungs- und Landwirtschaftssystem ist notwendig, weil das bestehende System in seiner heutigen Form nicht mehr zukunftsfähig ist.

a) Ökologische Gründe

Durch hohe Treibhausgasemissionen und Flächenbedarf trägt die intensive Tierhaltung sowohl zum Klimawandel als auch zum Verlust der Biodiversität bei.[1]

Niedersachsen als „Agrarland Nr. 1“ ist besonders betroffen: hohe Tierzahlen, Nährstoffeinträge und Pflanzenschutzmittel belasten Böden und Gewässer.[2] Futtermittelimporte verschärfen ökologische Probleme im Globalen Süden.[3] Fischereipraktiken an Niedersächsischen Küsten und auch in Meeresschutzgebieten (bspw. der Doggerbank) der Nordsee zerstören wertvolle Lebensräume.[4]

b) Klimaanpassungs- und Resilienz-Gründe

Der Klimawandel trifft zunehmend schon die Landwirtschaft, die Situation wird sich in Zukunft weiter verschärfen. Die (ressourcen-)intensive Tierhaltung ist besonders verletzlich, während eine stärker pflanzliche Produktion Ressourcen spart und damit die heimische Nahrungsversorgung stabiler sichert.[5]

 c) Gesundheits- und ernährungspolitische Gründe

Der Konsum tierischer Produkte, insbesondere von Fleisch und Wurstwaren, liegt deutlich über den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).[6]

Folgen sind ernährungsbedingte Krankheiten (Adipositas, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes), die hohe volkswirtschaftliche Kosten verursachen.[7] Darüber hinaus gefährden antibiotikaresistente Keime und Viren aus der Tierhaltung (z.B. Vogelgrippe) die Gesundheit von Menschen und Wildtieren.[8]

d) Tierethische und gesellschaftliche Gründe 

Die intensive Tierhaltung ist für die Tiere mit deutlichen Einschränkungen von Bedürfnissen und mit Leid verbunden (u. a. durch Züchtung, geringes Platzangebot, Krankheiten/Verletzungen, Transporte).[9] Sie ruft in der Bevölkerung daher immer wieder Empörung und Ablehnung hervor, was die gesellschaftliche Akzeptanz für die moderne Landwirtschaft insgesamt untergräbt.[10]

e) Soziale und globale Gründe

Die derzeitige Ernährungsweise trägt zur globalen Ungleichheit bei: Der Import von Tierfutter (z. B. Soja) führt in Ländern des Südens u.a. zu Menschenrechtsverletzungen und der Vertreibung indigener Bevölkerungsgruppen sowie Entwaldung. Gleichzeitig hat der der Export von Fleischteilen aus europäischen Ländern zur Zerstörung lokaler Märkte und Wertschöpfungsketten in vielen westafrikanischen Ländern geführt. Damit steigt die Abhängigkeit dieser Länder vom Weltmarkt, verstärkt ihre Staatsverschuldung und gefährdet ihre Ernährungssouveränität. Diese Effekte unterlaufen die Bemühungen der Entwicklungszusammenarbeit, die auf den Aufbau eigener Wertschöpfungsketten und die Stärkung der Ernährungssouveränität in den Ländern des Südens abzielt.

Das Ziel des Projekts „Weltbaustelle Ernährung“ ist es, den notwendigen Wandel im Ernährungs- und Landwirtschaftssystem Niedersachsens im Sinne der Agenda 2030 voranzubringen. Durch Bildungsarbeit, zivilgesellschaftliche Mobilisierung und internationale Partnerschaften soll das Bewusstsein für die globalen Zusammenhänge zwischen Ernährung, Landwirtschaft und Nachhaltigkeit gestärkt und zu verändertem Handeln motiviert werden. Dabei sollen insbesondere Fleischreduktion, Förderung pflanzlicher Eiweißquellen und die Integration globaler Perspektiven in Landesstrategien praktisch und politisch unterstützt werden.

 

A. Wegweiser der Ernährungswende

Ziel: Klare Richtung der Ernährungswende justieren, kommunizieren und finanzieren

1. Zukunftsfonds pflanzenbetonte Ernährung auflegen

Das Land Niedersachsen bekennt sich zur Vision einer pflanzenbetonten Ernährung und zur Reduktion der Tierzahlen in der Landwirtschaft. Ein landeseigener Fonds finanziert die im Folgenden aufgeführten Programme, um Betriebe beim Einstieg in neue Geschäftsfelder zu unterstützen und pflanzliche Nahrungsmittel besser verfügbar und attraktiver zu machen.

B. Ernährungspolitik

Ziel: Bewusstsein schaffen und gesunde, nachhaltige Ernährung erleichtern

2. Niedersächsische Ernährungsstrategie konkretisieren

Die Niedersächsische Ernährungsstrategie von 2021 legt im Leitbild fest, dass planetare Belastungsgrenzen berücksichtigt werden sollen und eine pflanzenbetontere Ernährung gefördert werden soll (S. 24).[11]

Die Ernährungsstrategie wird überarbeitet, dabei wird ein größerer Fokus auf diesen Hebel der pflanzenbetonten Ernährung gelegt. Zur Umsetzung der Strategie wird diese um konkrete Maßnahmen und messbare, terminierte Ziele ergänzt. Die Maßnahmen werden mit einem Finanzierungsplan versehen. Zudem werden bereits umgesetzte Maßnahmen und erreichte Ziele öffentlich und leicht zugänglich kommuniziert.

3. Gesundheits- und Aufklärungskampagne starten

Die in der Ernährungsstrategie verankerte Ernährungsbildung behandelt explizit die Vorteile pflanzenbetonter Ernährung, klärt über Gesundheitsaspekte verschiedener Ernährungsformen auf und adressiert Sorgen und Vorurteile gegenüber pflanzlichen Alternativprodukten. Die Inhalte werden der Bevölkerung über öffentliche Kampagnen sowie durch Bildungsformate an Kitas, Schulen und außerschulischen Lernorten vermittelt.

4. Gemeinschaftsverpflegung als Motor der Ernährungswende

Öffentliche Kantinen (in Schulen, Kitas, Hochschulmensen etc.) werden zu Lern- und Vorbildorten: Dort werden verbindlich die Empfehlungen der DGE umgesetzt und rein pflanzliche Optionen im täglichen Angebot integriert. Bis zum Jahr 2030 werden flächendeckend mind. 50 Prozent rein pflanzliche, warme Mahlzeiten in öffentlichen Gemeinschaftsverpflegungen angeboten. Förder- und Beratungsprogramme befähigen Großküchen, ihr Angebot hin zu leckeren pflanzenbetonten, nachhaltigen Gerichten umzubauen (vgl. Kantine Zukunft in Berlin/Brandenburg[12]).

5. Lobbyaktivitäten an öffentlichen Einrichtungen prüfen

Die Veranstaltungen und Informationsmaterialien, mit denen Wirtschaftsverbände u. a. aus der Fleisch- und Milchwirtschaft an öffentlichen Einrichtungen wie Kitas und Schulen tätig sind, werden kritisch überprüft, um eine unabhängige, wissenschaftlich fundierte Ernährungsbildung ohne wirtschaftlichen Einfluss sicherzustellen.[13]

C. Agrarpolitik

Ziel: Die Landwirtschaft beim Wandel aktiv begleiten

6. Förderung für Betriebsumstellungen und Moorschutz

Das bestehende Förderprogramm Diversifizierung bei Abbau der Tierhaltung wird aufgestockt und so ausgeweitet, dass auch Einkommensalternativen innerhalb der landwirtschaftlichen Urproduktion gefördert werden. Außerdem werden die Anstrengungen verstärkt, um die Wiedervernässung von landwirtschaftlich genutzten Mooren deutlich zu beschleunigen. 

7. Nachhaltige Wertschöpfungsketten fördern

Mit Unterstützung aus dem Zukunftsfonds werden in Abstimmung mit der bestehenden Niedersächsischen Eiweißpflanzenstrategie regionale Wertschöpfungsketten für pflanzliche Produkte aufgebaut: Darunter fallen u. a. Förderung und Beratung für Direktvermarktung, Gründung von Betriebskooperationen zur Lagerung und Vermarktung sowie Kooperationen zwischen Landwirtschaft, Verarbeitung und Gemeinschaftsverpflegung.

D. Über Niedersachsen hinaus

Ziel: Ernährungspolitik deutschlandweit und global gerecht gestalten.

8. Anpassung der Mehrwertsteuersätze

Das Land Niedersachsen wirkt auf die Bundesregierung dahingehend ein, dass eine Mehrwertsteuerreform pflanzliche Lebensmittel und Alternativprodukte steuerlich als Grundnahrungsmittel einstuft und diese somit mit tierischen Produkten gleichstellt oder begünstigt, um eine gesunde und nachhaltige Ernährung zu fördern.

9. Einführung eines Labels

Ein deutschlandweites Label, das auf Produkten die Umwelt-, Klima- und Tierwohlwirkung von Lebensmitteln aufzeigt, soll eingeführt werden und so Verbraucher:innen bewusste Konsumentscheidungen ermöglichen.

10.  Nord-Süd-Perspektive stärken

Niedersachsen verankert faire Lieferketten, Partnerschaften und Bildung zu globalen Ernährungssystemen in seiner Ernährungsstrategie und arbeitet mit Partnerländern an nachhaltigen Produktions- und Handelsstrukturen.

 

[1]    https://www.umweltbundesamt.de/themen/landwirtschaft/landwirtschaft-umweltfreundlich-gestalten/fragen-antworten-zu-tierhaltung-ernaehrung#1-umwelt-und-klimawirkungen-der-nutztierhaltung, https://www.umweltbundesamt.de/themen/landwirtschaft/landwirtschaft-umweltfreundlich-gestalten/fragen-antworten-zu-tierhaltung-ernaehrung#Frage2_3  

[2] https://www.ml.niedersachsen.de/startseite/themen/landwirtschaft/pflanzen_und_dungemanagement/nahrstoffbericht/nahrstoffbericht-132269.html, https://www.boell.de/de/2025/01/08/wasserverschmutzung-so-ein-dreck

[3]    https://www.ven-nds.de/themen/landwirtschaft/niedersachsen-agrarland-nummer-1/futtermittel-aus-suedamerika, https://www.aktion-agrar.de/futtermittel-hintergruende-und-mehr/

[4]    https://www.presseportal.de/pm/7666/6147356

[5]    https://theconversation.com/by-changing-our-diets-now-we-can-avoid-the-food-chaos-that-climate-change-is-bringing-256828, https://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/tierindustrie-erschwert-ernaehrungssicherheit, https://publications.pik-potsdam.de/rest/items/item_28085_7/component/file_28135/content

[6]    Die DGE empfiehlt maximal 300 Gramm Fleisch pro Woche, der tatsächliche Konsum liegt bei ca. 1.000 Gramm. https://www.dge.de/gesunde-ernaehrung/gut-essen-und-trinken/dge-empfehlungen/fleisch-und-wurst/, https://de.statista.com/themen/1315/fleisch/

[7]    https://www.ddg.info/presse/2025/umwelt-und-gesundheitskosten-des-ernaehrungssystems-belasten-wirtschaft-und-gesellschaft-mit-milliarden-euro-im-jahr, https://www.uniklinikum-leipzig.de/presse/Seiten/Pressemitteilung_7208.aspx

[8]    https://www.gesundheitsforschung-bmftr.de/de/tierstall-und-gemusefeld-wo-resistente-keime-lauern-ein-forschungsverbund-auf-spurensuche-3298.php, https://presseportal.greenpeace.de/251197-greenpeace-recherche-zu-antibiotikaresistenten-keimen-mehr-als-jedes-dritte-supermarkt-fleischprodukt-belastet/, https://www.openagrar.de/servlets/MCRFileNodeServlet/openagrar_derivate_00068710/FLI-Information-FAQ-Gefluegelpest-2025-11-03.pdf

[9]    https://lebensmittel-fortschritt.de/aktuell/efsa-gutachten-masthuehner-legehennen, https://ibei.tiho-hannover.de/praeri/pages/69, https://vet-magazin.de/wissenschaft/grosstiermedizin/Grosstiermedizin-Schweine/Klauenschaeden-Schweinen.html, https://www.ktbl.de/themen/nationaler-bewertungsrahmen-tierhaltung

[10]  https://www.bmleh.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ministerium/Beiraete/agrarpolitik/GutachtenNutztierhaltung.pdf

[11]  https://www.ernaehrungsstrategie-niedersachsen.de/?file=179

[12]  https://kantine-zukunft.de/ueber-das-projekt/

[13]  Siehe z.B. https://milchland.de/schulen-und-kitas/aktionstage/

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