Am 13. Dezember 2021 lud der VEN zu einer politischen Mittagspause zu der Bedeutung des deutschen Sorgfaltspflichtengesetzes für das Bundesland Niedersachsen ein. Zu den Referenten zählten: Simone Ludewig, Referentin Wirtschaft und Menschenrechte; Tilman Brunner, Abteilungsleiter International der IHK Hannover, und Bernd Lange, Mitglied des Europäischen Parlaments.
Einführung in die Debatte:
Zu Beginn der Veranstaltung verschaffte uns Frau Ludewig einen Überblick über das im Juli vom Bundestag verabschiedeten Sorgfaltspflichtengesetz. Ihrer Einschätzung zufolge sei das Gesetz ein erster wichtiger Schritt zu Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten; allerdings existieren noch deutliche Schwächen im Gesetz: Als Hauptkritikpunkte des Gesetzes merkte sie den fehlenden Klima- und Umweltschutz an; dass nur Unternehmen ab einer Größe von über 3000 Mitarbeitenden von dem Gesetz erfasst werden und insbesondere die fehlende zivilrechtliche Haftung an. Auch die genaue Umsetzung und Kontrolle des Gesetzes noch sei nach wie vor noch unklar.
Tilmann Brunner
Herr Tilmann Brunner, International der IHK Hannover, berichtete von der Arbeit bei IHK im Zusammenhang mit der Umsetzung des Sorgfaltspflichtengesetzes bei Unternehmen in Niedersachsen. Insgesamt seien keine großen Widerstände aus der Unternehmerschaft feststellbar gewesen. Als ersten Schritt haben die Unternehmen ihre ausländischen Handelspartner über das neue Gesetz informiert und sensibilisiert. Zudem wurde an die Handelspartner auch ein „Code of Conduct“ zugeschickt, indem sie schriftlich zusichern, dass keine Menschenrechtsverletzungen begangen werden. In der Praxis ließ sich zudem feststellen, dass sich das Gesetz zwar in erster Linie an Großunternehmen richtet, aber dass diese ihre Pflicht oft an die kleineren Unternehmen, die im Prozess beteiligt sind, weiterleiten. Entsprechend stellt er fest, dass das Gesetz dadurch einen größeren Geltungsbereich hat als in Theorie.
Zudem sei durch stark strapazierten Lieferketten, bedingt durch Corona, viele Unternehmen automatisch dazu übergegangen, ihre Lieferketten stärkerer zu überprüfen und resilienter zu gestalten.
Als Hauptkritikpunkt von der Unternehmerschaft an das derzeitige Lieferkettengesetz sowie der parallelen Entwicklung auf europäischer Ebene zu einem EU-Lieferkettengesetz bemängeln wenig Sicherheit und Planbarkeit mit aktueller Gesetzeslage.
Bernd Lange
Einen umfassenden Überblick zu dem geplanten Lieferkettengesetz auf europäischer Ebene liefert und dabei acht Kerninhalte des Gesetzentwurfs vorgestellt. Zu den Forderungen zählen unter anderem:
- Dass, Opfer künftig im Heimatland sowie in der EU gerichtliche Prozesse gegen Arbeitgeber einleiten können,
- Dass das Gesetz für risikobasierte Unternehmen greifen und unabhängig von der Unternehmensgröße sein soll,
- Dass, das Gesetz Klarheit über die Bedeutung der Sorgfaltspflicht für Klima und Umwelt schaffen soll,
- Dass, Investitionen und Arbeitsplätze in anderen Ländern erhalten bleiben und nicht verlagert werden.
- Dass es den Umgang mit Produkten aus Zwangsarbeit vorgeben soll.
Ausblick
Tilmann Brunner:
Welche Unterstützung wird sich von staatlicher Ebene gewünscht?
Die IHK ist derzeitig mit Informationsvermittlung, Unterstützung und Betreuung von Niedersächsischen Unternehmen beauftragt. Auch die Businessscouts unterstützen mit ihrer Beratungsfunktion Unternehmen. Dennoch weißt Herr Tilmann darauf hin, dass langfristig eine stärkere staatliche Unterstützung in schwächeren Ländern sinnvoll wäre. Denn in der aktuellen Situation führt es oftmals dazu, dass Jobs nicht erhalten werden und Mitarbeitende nicht geschützt werden, sondern, dass die Produktion einfach verlegt wird.
Bernd Lange:
Wie lange dauert die EU-Gesetzgebung noch?
Herr Lange betont, dass die Sicherheit vor Schnelligkeit geht. Das Gesetz muss ausdiskutiert und geprüft sowie vernünftig gestaltet werden. Anschließend muss den Unternehmen eine Übergangsfrist gewährleistet werden. Wenn der weitere Prozess reibungslos läuft, können wir ab dem 01.01.2025 mit einem Gesetz rechnen.
Simone Ludewig:
Welche Gestaltungsmöglichkeiten hat Zivilgesellschaft während des Prozesses?
Frau Ludewig betonte, dass eine kritische Mitbegleitung dieser Prozesse durch die Zivilgesellschaft unerlässlich sei: Dabei gilt es Unternehmen zu beobachten und Informationen über Missachtung zu verbreiten. Zudem muss weiterhin mehr über das Gesetz und dessen Relevanz aufgeklärt werden (auch auf europäischer Ebene).