LaKo Fr Podium 09

30 Jahre VEN und noch einige Jahre mehr Engagement für eine global gerechte und nachhaltige Welt – diese „soziale Bewegung“ hat mittlerweile eine ordentliche Geschichte. Aber was bewegt eigentlich die Bewegung? Welche Motivationen, welche Bruchstellen, welche Faktoren bedingen das Engagement? Es lohnt sich, der Bewegung immer wieder den Puls zu fühlen und zu überlegen, in welche Richtung(-en) sie sich bewegt. Gerade jetzt, nach einer globalen Pandemie, zur „Zeitenwende“, angesichts der Klimakatastrophe und großen Diskussionen um Dekolonisierung, Vielfalt und Rassismus.

 

Ein gutes Dach für all das Engagement – Der VEN hat auch in seinem 30. Jahr diesen Anspruch. Wir haben in 2022 in persönlichen Gesprächen, in einer Online-Umfrage und auf unserer Konferenz im November darum erkundet, was Menschen, Initiativen und Vereine antreibt und was sie brauchen, damit sie sich gut engagieren können. Versucht man das verknotete Engagementbündel zu ENT-wickeln und zu ordnen, entdeckt man hier und da Anknüpfungspunkte, bei denen es sich lohnt, zu ziehen, zu knüpfen, zu verbinden. Wir versuchen zu verstehen, wie die Fäden laufen und dabei ein Netz von Menschen und Institutionen sichtbar zu machen, die sich auch gegenseitig tragen. Dieses ist an einigen Stellen stark und widerstandsfähig, an anderen Stellen hängt es nur an dünnen Fäden, die drohen zu reißen.

Der Generationenwechsel ist Jetzt!

Viele Engagierte der 70er und 80er Jahren und die Gründer*innen des VENs in den 90er Jahren waren und sind immer noch aktiv und bilden das Rückgrat des Verbandes in der Fläche. Viele der Vereine geben in der Umfrage aber an, sich aktiv mit der Suche nach Nachwuchs beschäftigen zu müssen. Gleichzeitig entstehen gerade in den letzten Jahren neue Initiativen, insbesondere in den Themenfeldern Nachhaltiges Wirtschaften, (Post-)Migration und Klimagerechtigkeit. Dialoge zwischen den Generationen der Engagierten sind ein wichtiger Bestandteil, um das Netz stärker zu machen, denn alle profitieren von Mitstreiter*innen. Eine Diskussion über (Verbands-)Strukturen, die jungen wie alten Initiativen einen Mehrwert bieten, wird darum von vielen gefordert.

Das Ziel ist gleich, die Wege der Bewegung sind vielfältig

Eine gemeinsame Definition des Engagements ist gar nicht so einfach, die verschiedenen Initiativen verbindet aber ein gemeinsames Ziel: Gutes Leben für alle und den Schutz der natürlichen Grundlagen dafür weltweit. Auch suchen sie alle nach „Wegen der Bewegung“ die ganz unterschiedlich ausfallen können: Politische Arbeit, Globales Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung, internationaler Austausch, alternatives Wirtschaften, konkrete Projekte zur Verbesserung von Lebensbedingungen, kreative und radikale Protestformen, Empowerment und Reflektion von Privilegien und Kolonialgeschichte. Sie alle haben ihre Berechtigung, aber auch ihre Reibungspunkte. Der Begriff „Entwicklungspolitik“ kann diese Vielfalt nicht umfänglich beschreiben und wird in der Online-Umfrage auch mehrheitlich als nicht zeitgemäß bewertet. Er wird vielmehr von vielen Engagierten als neokolonial kritisiert.

Eine Welt für alle ermöglichen

Auf der Landeskonferenz und in Gesprächen mit Engagierten, die nicht zum direkten VEN-Kreis gehören, wurde oft deutlich, dass ein Netzwerk offen für alle die sein muss, die sich engagieren wollen. Und nicht nur das: Es muss aktiv nach Leerstellen suchen, die es alleine nicht überbrücken kann. Für die Reißfestigkeit des Netzes ist diese Suche nach den eigenen blinden Flecken und nach Menschen, die diese stärker ins Licht rücken wollen, wichtig. Dazu gehört eine Kommunikation, die anstatt komplizierter Begriffe und Abkürzungen vieles leicht verständlich ausdrückt und vielmehr fragt als immer eine Antwort hat. Insbesondere Engagierte, Initiativen und Vereine aus dem (post-)migrantischen Bereich müssen stärker als Teil des Netzes gesehen werden. Sie nehmen mit ihrem Engagement genauso auf globale Zusammenhänge Bezug und zeigen oftmals durch kritische Perspektiven Leerstellen auf, die gemeinsam geschlossen werden können.

Gute Rahmenbedingungen und Wertschätzung des Engagements einfordern

Eine wichtige Erkenntnis: Engagement ist nicht selbstverständlich. Zwar bringen viele Engagierte eine hohe eigene Motivation mit, eigene politische Überzeugungen in die Tat umzusetzen. Um immer „am Ball“ zu bleiben braucht es aber noch mehr: Zeit fürs Engagement spielt eine große Rolle und muss gesellschaftlich verankert werden. Menschen im Umfeld, die „mittun“ motivieren zusätzlich. Der Abbau bürokratischer Hürden und die Vereinfachung von finanziellen Förderungen trägt zur Wirksamkeit bei. Und nicht zuletzt muss Engagement gefeiert und gesellschaftlich Wertschätzung erfahren.

Die Aufgaben des VENs sind Vernetzung, Beratung und politische Arbeit

Bei der Umfrage haben wir sehr detailliert erhoben, welche Aufgaben der VEN aus Sicht der Befragten übernehmen sollte. Als sehr wichtig wurde die Interessenvertretung gegenüber politischen Akteuren gerade in der Landespolitik benannt. Daneben war vielen die niedersachsenweite Vernetzung von Initiativen sowie Beratungs- und Unterstützungsangebote insbesondere zu Fördermitteln und Engagementformaten wichtig. Die Ergebnisse zeigen uns, dass der VEN auch in Zukunft ein attraktives Angebot für die Unterstützung von lokal Engagierten sein kann. Aber auch das Schmieden von neuen, vielleicht auch ungewöhnlichen Bündnissen auf Ebene der Landespolitik soll noch stärker in den Fokus rücken.

Blick über den Tellerrand

Die „Eine-Welt-Bewegung“ macht nicht an Grenzen halt. Sehr interessant sind an dieser Stelle die Erkenntnisse des Projekts „Zukunft des Eine Welt Engagements“ des Eine Welt Netz NRW. In einer groß angelehnten Befragung wurden Engagementbiografien näher beleuchtet, Schlussfolgerungen gezogen und Empfehlungen gegeben. Auch eine Online-Karte zur Vernetzung ist entstanden.

www.einewelt-einekarte.de

Sören Barge, Eine Welt-Fachpromotor für die SDGs

 

 

Logo WBE Symbol web

eine-welt-promotoren-button

 

30 Jahre Button