Logo MenschenrechtsbündnisDas 'Menschenrechte grenzenlos - Bündnis Hannover' tritt ein für eine humanitäre und gerechte Flüchtlings- und Migrationspolitik, für die Stärkung der Zivilgesellschaft und für eine demokratische Teilhabe aller Menschen. Die 12 Initiativen des Bündnisses haben 10 Forderungen aufgestellt, für ein gerechtes Miteinander im Land. 

 

Die Unterzeichner*innen, 13 Initiativen aus dem Bündnis ‚Menschenrechte grenzenlos‘, fordern:

 

1. Ein entschiedenes Vorgehen gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus, sowie effektive Maßnahmen gegen Hass und Hetze im Internet

                      und

2.  eine unabhängige Antidiskriminierungsstelle für Niedersachsen – Antidiskriminierungspolitik müssen geschaffen werden

 Rassistische Gewalttaten gibt es immer wieder an verschiedenen Orten in Deutschland. Jüngst hat der antisemitische Anschlag am 09. Oktober 2019 in Halle in ganz Deutschland für Entsetzen gesorgt. Rassistische Gewalttaten richten sich nicht nur gegen Flüchtlinge, sondern auch gegen vermeintliche »Ausländer*innen«, Obdachlose, Sinti und Roma, jüdische und muslimische Mitbürger*innen oder andere Menschen, die von den Auswirkungen rechtsextremer Ideologie betroffen sind. Auch die rassistische Hetze, ob im Internet oder auf der Straße, nimmt zu. Um Hass und Rassismus entgegenzuwirken, braucht es Politiker*innen, die eine klare Position gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus einnehmen.

Wir fordern das Land Niedersachsen auf, eine unabhängige Antidiskriminierungsstelle auf Landesebene zu fördern und effektive Maßnahmen gegen rassistische und diskriminierende Handlungen zu ergreifen. An Mitteln für politische Bildungsarbeit darf nicht gespart werden.

 

3. Die ernsthafte Förderung demokratischer Teilhabe und damit die Sicherung der Gemeinnützigkeit zivilgesellschaftlicher Organisationen, die Beiträge zur politischen Willensbildung leisten

In den letzten Jahren wurde mehreren zivilgesellschaftlichen Vereinen die Gemeinnützigkeit aberkannt. Einige Organisationen müssen im Zuge dieser Entscheidung um ihre Existenz bangen. Damit sind Organisationen der Zivilgesellschaft, die sich regelmäßig politisch äußern, mittlerweile ständig der Gefahr ausgesetzt, ihre Gemeinnützigkeit zu verlieren. Doch Zivilgesellschaft ist gemeinnützig: Eine vielseitige politische Zivilgesellschaft belebt unsere Demokratie. Sie fördert die Meinungsbildung und regt im Interesse des Gemeinwohls Debatten an. Sie gibt mehr Menschen die Chance, sich am gesellschaftlichen und politischen Geschehen zu beteiligen. Sie hilft, die Rechte, Meinungen und Interessen jener zu stärken, die selbst nicht laut genug ihre Stimme erheben können. Sie ist ein Korrektiv zu eigennützigen Lobby-Interessen und zu vorschnellen politischen Entscheidungen und kann ein Gegengewicht bilden zu erstarkenden rechtsradikalen Strukturen in der Gesellschaft. Demokratie braucht eine sich einmischende Zivilgesellschaft. Wir fordern daher die Landesregierung auf, die Gemeinnützigkeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich für eine demokratische, offene und gleichberechtigte Gesellschaft einsetzen, zu sichern und dies in einem modernen Gemeinnützigkeitsrecht zu verankern.

 

4. Die Aufnahme und Unterbringung von aus Seenot geretteten Menschen zusätzlich zur Verteilungsquote und die öffentliche Positionierung gegen die Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung

 Angesichts von Tausenden Toten im Mittelmeer fordern wir, dass sich die niedersächsische Landesregierung für sichere Fluchtwege und das Ende der EU-Abschottungspolitik einsetzt, damit Menschen nicht mehr auf lebensgefährlichen Routen fliehen müssen. Wir fordern, dass die Stadt und Region Hannover dem kommunalen Bündnis „Städte sicherer Häfen“ beitreten und Plätze für die schnelle und unkomplizierte Aufnahme und Unterbringung von aus Seenot geretteten Menschen zusätzlich zur Verteilungsquote bereitstellen. Weitere Standoffs, bei denen Rettungsschiffe im zentralen Mittelmeer tage- und wochenlang keinen sicheren Hafen erhalten, darf es nicht geben. Daher müssen Stadt und Region die Bundesregierung dazu drängen, aus Seenot gerettete Menschen in allen Fällen umgehend aufzunehmen. Nicht zuletzt fordern wir einen entschiedenen Einsatz gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung.

 

5. Die Aufrechterhaltung einer qualifizierten und unabhängigen Beratungsstruktur in den Kommunen und den Erstaufnahmeeinrichtungen

Mit dem „Geordnete Rückkehr Gesetz“ wird statt einer unabhängigen Asylverfahrensberatung  eine „unabhängige staatliche Asylverfahrensberatung“ eingeführt. Diese vom Bundesamt angebotene Beratung schließt aber keine rechtliche Beratung mit ein. Als staatliche Behörde, die über den Asylantrag entscheidet, ist das Bundesamt nicht unabhängig. Für Schutzsuchende ist es wichtig, dass sie Informationen nicht allein von der Behörde erhalten. Sie haben zumeist kein Vertrauen in staatliche Stellen, da sie in ihren Herkunftsländern oftmals negative Erfahrungen mit diesen gemacht haben. Um Fluchtgründe aber vollständig darlegen zu können, ist das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Beratung sehr wichtig. Jedes Jahr steht die Weiterförderung der Migrationsberatungsstellen sowohl auf kommunaler, als auch auf Landesebene zur Disposition, obwohl es eine anhaltende Nachfrage nach Beratungs- und Unterstützungsangeboten von Seiten der Geflüchteten und Migrant*innen gibt. Wir fordern das Land Niedersachsen und auch die Stadt Hannover auf, Integration als eine Dauer- und Zukunftsaufgabe ernst zu nehmen und aufgebaute Strukturen weiter zu festigen, anstatt, diese durch Mittelkürzungen immer wieder in Frage zu stellen.

 

6. Den Stopp von Abschiebungen – die in Kriegs- und Krisengebiete führen, die Familien trennen oder körperlich oder psychisch kranke Menschen betreffen

Immer wieder berichten Geflüchtete von brutalen, häufig nachts stattfindenden Abschiebungen von Familien mit Kindern, von Familientrennungen und von der Missachtung von Abschiebungshindernissen, die bei den Betroffenen vorliegen. Wir fordern die Landesregierung auf, die Rechte von Kindern uneingeschränkt einzuhalten und bei jedem behördlichen Handeln das Kindeswohl prioritär zu beachten. Zudem fordern wir, die Abschiebungen aus Krankenhäusern sowie aus Jugendhilfe- und Bildungseinrichtungen per Erlass zu untersagen. Auch psychisch und körperlich schwer kranke Menschen, die einer Behandlung oder Therapie bedürfen, dürfen nicht abgeschoben werden. In diesem Rahmen sollten auch unangekündigte Abschiebungen zur Nachtzeit, die häufig traumatisch sind für die Betroffenen, verboten werden. Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete wie Afghanistan, Sudan oder Somalia sollten grundsätzlich per Landeserlass gestoppt werden.

 

7. Bleiberecht statt Abschiebedruck – Ausländerbehörden sollen Handlungs- und Ermessensspielräume nutzen und zugunsten der Migrant*innen und ihrer gesellschaftlichen Teilhabe entscheiden

Seit Juli 2019 baut die Landesregierung eine Zentrale Ausländerbehörde auf, deren zentrale Aufgabe es ist, Abschiebungen vorzubereiten und durchzuführen. Das Land Niedersachsen übt derweil Druck auf die Kommunen aus, ihre Abschiebezahlen zu erhöhen. Wir fordern stattdessen eine solidarische Politik, die auf Menschlichkeit setzt und gesellschaftliche Teilhabe unabhängig vom rechtlichen Aufenthaltsstatus ermöglicht. Das Land Niedersachsen und die Stadt und Region Hannover sollten stattdessen ihre Handlungs- und Ermessensspielräume nutzen, um Integration zu fördern und Bleibe- und Teilhabeperspektiven für die Menschen zu schaffen. Auch in diesem Bereich sollte der besonderen Schutzbedürftigkeit von Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen Rechnung getragen werden.

 

8. Die Abschaffung der Abschiebungshaft – einer Haft ohne Straftat

Die Freiheitsberaubung ist die schwerste Strafe, die dieser Staat anwenden kann; diese Freiheitsberaubung wird einzig und allein dazu angewandt, Menschen außer Landes zu schaffen. Immer mehr Menschen kommen so ins Gefängnis, ohne eine Straftat begangen zu haben: Die Zahl der Menschen in Abschiebungshaft steigt, während in großem Stil neue Abschiebungshaftanstalten errichtet werden.

Die Haftbedingungen in der Abschiebungshaft entsprechen dabei oft nicht einmal den etablierten, rechtsstaatlichen Standards. Zudem wird die Abschiebungshaft vielfach rechtswidrig angeordnet, was von den Gerichten oftmals erst nach der erfolgten Haft und damit auch nach der erfolgten Abschiebung festgestellt wird. Mit dem „Geordnete Rückkehr Gesetz“ wurden nun die Möglichkeiten, Schutzsuchende in Abschiebungshaft zu nehmen, sogar ausgeweitet. Damit lässt die Bundesregierung Abschiebungseffizienz vor rechtsstaatlichen Prinzipien gelten. Wir fordern daher, die Abschiebungshaft vollumfänglich abzuschaffen.

 

9. Den Zugang zu Bildung und zum Arbeitsmarkt für alle – unabhängig von Herkunftsland, Aufenthaltsstatus und Geschlecht

Migrant*innen sind auf dem Arbeits- und Bildungsmarkt häufig von Diskriminierung betroffen und werden in bestimmte Ausbildungsverhältnisse und Berufsfelder gedrängt. Wir fordern, dass Migrant*innen auf dem Arbeits- und Bildungsmarkt unabhängig von Aufenthaltsstatus, Herkunftsland und Geschlecht gleichberechtigt partizipieren können. Bisher stehen Geduldeten und Menschen im Asylverfahren, die nicht zu den Ländern mit guter Bleibeperspektive zählen, nur die vom Land finanzierten Sprachkurse offen. Ab Mitte nächsten Jahres möchte das Land Niedersachsen diese Förderung einstellen. Wir fordern das Land Niedersachsen auf, die Landessprachkurse weiter zu finanzieren und damit allen Geflüchteten einen Zugang zum Sprachkurs zu eröffnen.

Unabhängig von ihrer Schulpflicht müssen älteren Jugendlichen und jungen Erwachsenen Programme zur Erlangung eines Schulabschlusses mit einer entsprechenden Begleitung und Betreuung angeboten werden. Die SPRINT und SPRINT-Dual-Kurse greifen hier zu kurz. Darüber hinaus muss eine institutionell verankerte Unterstützung im Bildungssystem anschließen, damit diese Zielgruppe beim Übergang zu Hochschul- oder Berufsbildung begleitet wird. Nicht zuletzt wird gesellschaftliche Teilhabe durch die massive Ausweitung von Arbeitsverboten für Asylsuchende und Geduldete, durch Leistungskürzungen für Geflüchtete in Gemeinschaftsunterkünften und den vollständigen Leistungsausschluss für manche Geflüchtete im „Geordnete Rückkehr Gesetz“ verhindert. Geflüchtete durch Arbeitsverbote zu sanktionieren, ist weder zielführend noch teilhabepolitisch sinnvoll. Stattdessen müssen Ausländerbehörden ihren Ermessensspielraum nutzen, um allen einen gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

 

10. Bezahlbaren Wohnraum für alle – sozialer Wohnungsbau muss massiv ausgeweitet werden

Geflüchtete können die Gemeinschaftsunterkünfte, die bereits an sich gewalt- und konfliktfördernd sind, oftmals über Jahre nicht verlassen, da sie keinen Wohnraum finden. Sie reihen sich ein in die große Zahl der Wohnungssuchenden, die nach einer bezahlbaren Unterkunft in Hannover suchen, und sind dabei zusätzlicher Diskriminierung ausgesetzt. Wir brauchen eine erhebliche Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus, damit eine schnelle Umverteilung von Geflüchteten in Wohnungen gelingen kann und auch alle anderen, die ihn brauchen, bezahlbaren Wohnraum finden. Öffentliche Baugrundstücke müssen in kommunaler Hand bleiben und dürfen nicht an private Investor*innen verkauft werden. Wir fordern die Landesregierung daher auf, in den nächsten Jahren alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Lücke an bezahlbarem Wohnraum in Niedersachsen zu füllen.

 

 

Unterzeichner*innen aus dem Bündnis ‚Menschenrechte grenzenlos‘:

 

Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.

G mit Niedersachsen – Bildungs- und Beratungsstelle (VNB e.V.)

Hometown e.V.

Janusz Korczak - Humanitäre Flüchtlingshilfe e.V.

kargah e.V.

Kulturzentrum Faust e.V.

MigrantInnenSelbstOrganisationen Netzwerk-Hannover e.V. (MiSO)

Organisation zur Wahrung der Menschenrechte in Vietnam e.V. (MRVN)

Palästina Initiative Region Hannover

Unterstützerkreis der Flüchtlingsunterkünfte Hannover e.V.

Verband Entwicklungspolitik Nds. e.V. (VEN)

Verband Niedersächsischer Bildungsinitiativen e.V. (VNB)

Vietnam-Zentrum-Hannover e.V. (VNZ)

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