Ich bin Louis Zulu, 48 Jahre alt und lebe in Blantyre, Malawi, wo ich als Schulleiter einer weiterführenden Schule tätig bin. Ich habe 23 Jahre Berufserfahrung. Die meiste Zeit davon habe ich ehrenamtlich als Koordinator des Projekts „Aware and Fair School“ gearbeitet.
Im Rahmen des Projekts fördern wir Nachhaltigkeitsziele (SDGs), die die Schüler:innen selbst wählen. Die meistgewählten Themen der Schüler:innen sind Klimawandel, Gleichstellung der Geschlechter, Armutsbekämpfung, Schüleraustausch/ Schulpartnerschaften, eine saubere Umwelt und qualitativ hochwertige Bildung. Darüber hinaus bin ich Teil eines weltweiten Netzwerks von Bildungsaktivist:innen namens “Learn to Change” mit Sitz in Hannover. Obwohl die Mitglieder des Netzwerks aus ganz unterschiedlichen Teilen der Welt kommen und verschiedene Berufe ausüben, teilen wir sehr ähnliche Werte. Außerdem verbindet uns der Wunsch, durch Bildung ein besseres Leben für unsere Mitmenschen zu erreichen. Das motiviert und inspiriert mich sehr.
Welche sozialen und ökologischen Folgen hat der Klimawandel in Malawi?
Der Klimawandel bringt unsägliches Elend über die ohnehin schon benachteiligten Menschen in Malawi. So wurde die südliche Region Malawis und das benachbarte Mosambik im vergangenen Jahr von einem verheerenden Wirbelsturm heimgesucht, der in der Stadt Blantyre und Umgebung mehr als tausend Menschenleben forderte sowie Häuser und Straßeninfrastruktur zerstörte. Als Schulleiter habe ich zwei Schüler:innen durch den Wirbelsturm verloren. Trotz verschiedener Maßnahmen der Regierung und von Nichtregierungsorganisationen haben sich viele Menschen noch nicht von dieser Tragödie erholt. Subsistenzbauern und Haushalte sind nicht gegen Klimakatastrophen wie Wirbelstürme, Dürren oder Überschwemmungen gewappnet. So zerstörte der Wirbelsturm einen Großteil der Maisanbauflächen. In Folge dessen hat sich der Preis für Mais, ein Grundnahrungsmittel in Malawi, seit der letzten Anbausaison bis heute fast verdoppelt. Für die arme Bevölkerung wird es dadurch noch schwieriger, Nahrungsmittel zu kaufen. Im Januar und Februar 2025 wird sich die Situation weiter verschärfen, da Malawi dann von einer Dürre betroffen sein wird. Es ist daher zu erwarten, dass Kinder und Schwangere unter Unterernährung leiden werden. Zudem zwingen die Wirbelstürme immer mehr arme Menschen, illegal Bäume zu fällen, um sie in der Stadt als Brennholz oder Holzkohle zu verkaufen. Das Ausmaß der Entwaldung ist alarmierend. In einem Waldgebiet in Blantyre werden täglich Hunderte von Bäumen gestohlen.
Welchen Einfluss hat der Globale Norden auf die Klimaauswirkungen in Malawi?
Unsere Ökosysteme, der Regenzyklus und andere natürliche Kräfte kennen keine geografischen Grenzen. So leidet Malawi massiv unter den Auswirkungen des Klimawandels, obwohl das Land kaum zur globalen Erwärmung beigetragen hat.
Welche Möglichkeiten gibt es, die negativen Auswirkungen zu reduzieren?
Jeder Mensch trägt Verantwortung für die Eindämmung der Klimaerwärmung, unabhängig davon, ob er Verursacher oder Betroffener der Klimawandelauswirkungen ist. Schuldzuweisungen bringen uns in dieser Situation nicht weiter. Dennoch haben kleine Volkswirtschaften wie Malawi meiner Meinung nach eine geringere Verantwortung als große Volkswirtschaften wie Deutschland. Der übermäßige Konsum im Globalen Norden treibt eine unaufhörliche Produktion an. Ein grundlegendes Umdenken dieser nicht nachhaltigen Konsumgewohnheiten ist daher notwendig.
Welche Rolle können Schulgärten und Bildungspolitik spielen?
Wer in der Stadt lebt, muss jeden Tag Gemüse kaufen. Ein kleiner Betrag, der täglich für Gemüse ausgegeben wird, summiert sich nach einiger Zeit zu einer Menge Geld. Durch ein Schulgartenprojekt habe ich meinen Schüler:innen gezeigt, dass sie durch die Arbeit im Schulgarten und im Garten zu Hause gesunde Lebensmittel essen können, die ohne Chemikalien und Düngemittel auskommen, weil sie in kleinem Maßstab für den Eigenbedarf angebaut werden. Das Projekt hat seinen Zweck erfüllt und das Gute daran ist, dass es kein großes Kapital erforderte aber enorme Vorteile für die Schüler:innen brachte, da sie das Projekt zu Hause nachahmten. Ich denke, unsere Bildungspolitik ist insofern mangelhaft, als dass sie solche Initiativen nicht fördert. Ich denke, wir brauchen eine Bildungspolitik, die Schüler:innen dazu ermutigt, den Wandel, den sie in ihrer Gesellschaft sehen wollen, aktiv mitzugestalten. Bildung sollte Schüler:innen zu Innovator:innen machen, die stets versuchen, die Probleme ihrer Gesellschaft zu lösen. Das durch aware& fair geförderte Schulgartenprojekt hat dazu einen großen Beitrag geleistet. Es muss nur in größerem Maßstab durchgeführt werden, um seine Wirkung auf die Jugendlichen in Malawi zu verstärken.
Was würden Sie sich vom Globalen Norden wünschen?
Ich würde mir mehr Interaktion zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden wünschen, um den Austausch bewährter Praktiken zu fördern. Dieser Austausch ist wichtig, um im Kampf gegen den Klimawandel gemeinsam voranzukommen. Von den Verbraucher:innen im Globalen Norden würde ich mir wünschen, dass sie aufhören so zu leben, als wären sie die letzten Menschen auf diesem Planeten. Das kann zum Beispiel durch eine massive Sensibilisierung für das Konzept des Wachstumsverzichts und nachhaltiger Konsumgewohnheiten geschehen. Darüber hinaus könnte Malawi stark vom Globalen Norden profitieren, indem es Unterstützung für Klimaschutzprojekte erhält, die von der Regierung und Nichtregierungsorganisationen in kleinem Maßstab durchgeführt werden. Der Grund für die Migration aus Nordafrika nach Europa ist das alarmierende Ungleichgewicht zwischen den Volkswirtschaften des Globalen Nordens und des Globalen Südens. Wenn es uns gelingt, die Lebensqualität der Menschen im Globalen Süden zu verbessern, wird niemand mehr gezwungen sein, sein Leben aufs Spiel zu setzen, um nach Europa zu gelangen.
Das Interview wurde am 01.08.2024 durchgeführt.