Die Umschlaganlage Voslapper Groden wurde 2022 zum LNG-Terminal Wilhelmshaven ausgebaut. Die Aufnahme zeigt den Bereich im Jahr 2012, als die Anlage noch nicht für LNG-Nutzung umgerüstet war. (CC-BY-SA 2.0 - Commons. Wikimedia, Ra Boe)
Der Jadebusen und die Küste Wilhelmshavens sind weniger Natur als vielmehr das Produkt von menschlichem Handeln. Als Kriegshafen und Marinestandort hat Wilhelmshaven enge Verbindungen zum Kolonialismus: Hier wurden zum Beispiel Soldaten verabschiedet, die dann die Aufstände in den kolonisierten Gebieten brutal niederschlugen.
Aber auch heute ist die zivile Nutzung des Hafens mit einem Denken und Handeln verbunden, das von „kolonialen Kontinuitäten“ geprägt ist: Der Hafen ist nun mit dem Bau des Flüssiggas-Terminals deutschlandweit bedeutender geworden. Anstatt in Deutschland Energie im großen Maße einzusparen und zugleich Wirtschaft und Lebensweise auf Nachhaltigkeit auszurichten, wird Energie überall auf der Welt eingekauft. Diese beruht oftmals auf der Ausbeutung von fossilen Energieträgern, die auf Kosten von Menschen und Natur andernorts gefördert wurden. Auch beim möglichen Import von Wasserstoff als erneuerbarem Energieträger etwa aus Namibia steht unsere Versorgungssicherheit im Mittelpunkt. Die Wasserstoffexporte versprechen nicht unbedingt eine bessere Lebensqualität in den Ländern. Auch die Eingriffe und die Verschmutzung der Natur zur Gewinnung des Wasserstoffs werden zu wenig thematisiert. Denn diese geschehen ja nicht in Niedersachsen.
Alltagsrassismus und Machtstrukturen in der Küstenregion
Auch weitere „koloniale Kontinuitäten“ sind rund um Wilhelmshaven zu beobachten: Oft wird ein Bild gezeichnet, in dem es in der Küstenregion um das Wechselspiel zwischen Naturschutz, Tourismus, Land und Viehwirtschaft als Lebensgrundlage geht. Diese Erzählungen verschleiern jedoch die bestehenden Machtstrukturen und die Ungleichheit innerhalb der Region. Sie macht vergessen, dass wir in der Region nicht alle gleich sind. Weil oft das Bewusstsein für Alltagsrassismus und seine Wurzeln im Kolonialismus fehlt, kommt es selten zu einer aktiven Auseinandersetzung mit diesen Themen.
Die schlechte Anbindung und erschwerten Vernetzungsmöglichkeiten führen dazu, dass Betroffene von Rassismus im ländlichen Raum isoliert sind und weniger Zugang zu Unterstützung und Beratung haben. Es fehlt an Schulungen und Weiterbildungen, um ein Bewusstsein für Rassismus und Diskriminierung zu schaffen und angemessen damit umzugehen. Auf der anderen Seite zeigen die aktuellen Entwicklungen überall in Deutschland, dass sich in ländlichen Gebieten leichter rechtsradikale Ideen festsetzen und Fremdenfeindlichkeit entsteht.
Deshalb setzen sich Engagierte dafür ein, dass Wilhelmshaven seiner historischen Verantwortung nachkommt, die koloniale Vergangenheit aufarbeitet und koloniale Kontinuitäten reflektiert. Nur so kann die Stadt ihrem Anspruch als „weltoffene Kommune“ gerecht werden, indem sie lokale und globale Gerechtigkeit miteinander verbindet.
Wer?
Hier fehlt für mich der Rückbezug auf den ländlichen Raum. Wie soll dieser in diese Prozesse einbezogen werden?