Wilhelmsplatz Göttingen: Wen wollen wir in unserer Gesellschaft ehren und an wen öffentlich erinnern? In Göttingen haben Aktivist*innen auf diese zentrale Frage aufmerksam gemacht. Sie schufen eine Installation, um den Philosophen Anton Wilhelm Amo zu würdigen.
Insbesondere alte Universitäten, etwa die Georg-August-Universität Göttingen, haben schon lange eine direkte Verbindung zum deutschen Kolonialismus. Sie waren wichtige Orte, an denen Argumente zur Rechtfertigung des Kolonialismus entwickelt wurden. Zudem wurden geraubte Güter und Gegenstände aus den Kolonien hier gesammelt und erforscht. Mit den Ergebnissen der pseudowissenschaftlichen Forschung stellten Wissenschaftler rassistische Behauptungen über Menschen in den Kolonien auf. Die Disziplinen, in denen kolonial geforscht wurde, waren vielfältig und reichten von der Medizin, den Rechtswissenschaften und der Botanik bis hin zur Astronomie.
Ein bekannter Forscher dieser Zeit in Göttingen war Johann Friedrich Blumenbach. Blumenbach war Wegbereiter der Anthropologie. Sein wichtigstes Werk ist die Ordnung menschlicher „Varietäten“ anhand der Merkmale von Schädeln und die daran angelehnte Erstellung eines rassistischen Systems der Höher- und Minderwertigkeit . Die Schädel, an denen Blumenbach forschte, waren in vielen Fällen in den Kolonien geraubt worden. Er ließ sie sich durch befreundete Wissenschaftler aus der ganzen Welt zuschicken.
Die Position Blumenbachs ist umstritten, weshalb es wichtig ist, die Rolle der Universitäten und das dort produzierte „koloniale Wissen“ genau zu untersuchen und zu hinterfragen. Dass ein Institut der Universität nach Blumenbach benannt und eine Büste des Wissenschaftlers aufgestellt wurde, wirft jedoch die Frage auf, an wen bis heute erinnert wird und warum.
Burschenschaften
In alten Universitätsstädten lassen sich noch heute viele Burschenschaften finden, in denen männliche Studierende gemeinsam wohnen und sich meist zu anti-demokratischen, rechten Werten bekennen. Ihre historische Verbindung zum Kolonialismus bleibt dabei weitgehend unbeachtet und wird selten kritisch hinterfragt. Tatsächlich waren aber viele berüchtigte Kolonialherren Mitglieder deutscher Burschenschaften und wurden von diesen Netzwerken in ihren Bestrebungen unterstützt. Viele Burschenschaftler kamen dabei aus den Disziplinen der Jura und Medizin und wurden dort für ihre spätere Laufbahn in den Kolonien ausgebildet. Auch die evangelische Theologie war ein begehrtes Fach. Hier wurden viele Missionare angeleitet, die später in die deutschen Kolonien reisten.
Der deutsche Kolonialismus wird in burschenschaftlichen Kreisen bis heute verherrlicht, beispielsweise werden Kolonialpartys“ veranstaltet, die auf nostalgische Weise dieser Zeit gedenkt. Dort wird oft behauptet, der Kolonialismus sei ein wichtiger Teil der „deutschen“ Identität und seine Auswirkungen seien für die Kolonien positiv gewesen. Diese Perspektive entspringt einem Weltbild, das Rassismus und Gewaltherrschaft legitimiert. Wie diese Ausstellung auf vielfältige Weise zeigt, ist diese Haltung zudem klar widerlegt.