Ausbeutung ist die Norm

Menschenrechte sind universell, unteilbar und beziehen sich auf viele Bereiche, auf die auch Unternehmen Einfluss haben – etwa Beschäftigungspraktiken, Sicherheit, Gesundheits-, Arbeits- und Umweltschutz. Daher liegt es nahe, auch die Verantwortung von Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen kritisch zu betrachten. Vielen erscheint dies jedoch als Widerspruch: Was haben Unternehmen als private Organisationen mit Menschenrechten zu tun? Werden sie nicht wie Menschen auch vor dem Eingriff des Staates geschützt, beispielsweise über das Recht auf Eigentum? Eine solche Einschätzung geht auf ein traditionelles Menschenrechtsverständnis zurück, wonach allein Staaten Träger von Rechten und Pflichten im Völkerrecht sind – und damit die Menschenrechte auch nur für sie verpflichtend sind.

Doch die Realität der globalisierten Wirtschaft zeigt, dass unternehmerisches Handeln – bewusst oder unbewusst – zur Verletzung von Menschenrechten führen kann. Unternehmen, die in autoritären Regimen oder in Konfliktregionen wirtschaftlich tätig sind, unterstützen diese mittelbar unter anderem durch die Zahlung von Steuern. Andere Firmen kooperieren unmittelbar mit den gewalttätigen Akteuren: Sie unterstützen oder fördern Menschenrechtsverletzungen beispielsweise durch direkte Geldleistungen oder Waffenlieferungen an Polizei, Armee und paramilitärische Gruppen. Wieder andere fördern Menschenrechtsverletzungen durch die Lieferung von Technologien wie Späh-Software zur Überwachung von Regimekritikern. Unternehmen können nicht nur Anlass zu teils brutalem Vorgehen der Polizei, der Armee oder anderer Gruppen geben, sie profitieren auch immer wieder von solchen Aktionen, etwa wenn der Widerstand in der Bevölkerung gegen ein geplantes Großprojekt gebrochen wird. 

Höchst problematisch sind auch die Arbeitsbedingungen in global verteilten Zulieferbetrieben europäischer Unternehmen. Regelmäßig extreme Überstundenzahlen bei geringem Lohn, lebens- und gesundheitsgefährdende Arbeitsplätze, sexualisierte Gewalt vor allem gegen Frauen oder Bedrohung von Gewerkschaftsmitgliedern sind in einigen Ländern Alltag. Nicht zuletzt über die Preis- und Einkaufspolitik und die geringe Kontrolle von Sozialstandards tragen die Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette eine Mitverantwortung für die prekären, wenn nicht gar miserablen Arbeitsbedingungen.


Wenn transnationale Unternehmen neue Gebiete für den Abbau von Rohstoffen wie Kohle oder Gold erschließen, geht dies oft mit der unmittelbaren oder schleichenden Vertreibung der Bevölkerung in der Region einher, etwa durch die Verschmutzung des Lebensraumes. So deutet viel darauf hin, dass Minen wie die Tintaya-Antapaccay-Mine in Peru das Trinkwasser ganzer Anden-Regionen verschmutzt. Gleiches gilt in der Agrarindustrie und bei großen Infrastrukturprojekten.
Protestieren oder wehren sich die betroffenen Menschen, müssen sie damit rechnen, kriminalisiert oder gewaltsam verfolgt zu werden. Ein Beispiel ist die Ermordung der Menschenrechts- und Umweltaktivistin Berta Cáceres aus Honduras im März 2016, die sich wegen der zu befürchtenden verheerenden Auswirkungen auf Umwelt und Anwohner*innen jahrelang gegen das Agua-Zarca-Staudamm-Projekt eingesetzt hat. Wegen ihres Protestes gegen den Staudamm war sie über Jahre hinweg immer wieder belästigt und bedroht worden.


Globalisierte Wirtschaftsstrukturen führen zu Lücken im Menschenrechtsschutz. Der rohstoffreiche Süden ist überwiegend Lieferant für die Unternehmen im Norden. Die Weiterverarbeitung der Rohstoffe und damit eine Steigerung der Einnahmen im eigenen Land werden selten ermöglicht Unternehmen nutzen komplexe Liefer- und Wertschöpfungsketten mit Produktionsprozessen, bei denen es immer wieder zu tödlichen Unfällen, Umweltkatastrophen und schweren Menschenrechtsverletzungen kommt. Oft werden Arbeits-, Sicherheits- und Umweltstandards entlang der Lieferketten nicht eingehalten. Die Pflicht, die Menschenrechte zu schützen, liegt grundsätzlich beim Staat, doch kommt Unternehmen eine Verantwortung zu, die Menschenrechte zu achten, gerade da, wo der staatliche Schutz ausbleibt. In einer zunehmend vernetzten Welt mit teilweise opaken Liefer- und Wirtschaftsbeziehungen laufen Unternehmen, die ihre Sorgfaltspflichten missachten, Gefahr, Menschenrechtsverletzungen zu verursachen, zu ihnen beizutragen oder an ihnen beteiligt zu sein.

 

Fallbeispiele 

  • KIK und der Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza 2012:
    Als die Textilfabrik Ali Enterprises in Pakistan abbrannte, starben 258 Menschen, Dutzende wurden verletzt. Vergitterte Fenster, defekte Feuerlöscher, lediglich ein enges Treppenhaus und Notausgänge, die ins Nichts führten, machten die Fabrik zur tödlichen Falle für die Arbeiter*innen. Das deutsche Textilunternehmen KiK ließ als Hauptkunde in der Fabrik produzieren.
  • TÜV Süd und der Dammbruch von Brumadinho 2019:
    TÜV Süd zertifizierte den Brumadinho-Staudamm in Brasilien als sicher, kurz bevor dieser brach und 246 Menschen in den Tod riss.
  • BASF und die Marikana Platin Mine in Südafrika 2012:
    Die südafrikanische Polizei eröffnet das Feuer auf 3000 streikende Minenarbeiter, am Ende sind 34 Arbeiter tot.
  • Kinderschokolade und 2 Mio. Kinder auf Kakaoplantagen in Westafrika:
    Auf den Kakaoplantagen in Westafrika, wo die wichtigste Zutat für Schokolade angebaut wird, arbeiten rund zwei Millionen Kinder unter ausbeuterischen Bedingungen. Sie müssen schwere körperliche Arbeit leisten und sind nicht vor Pestiziden geschützt. Schokoladenhersteller wie Ferrero, Nestlé, Mars und Mondelēz, die in Deutschland eine Niederlassung haben und ihre Süßwaren verkaufen, profitieren von der Ausbeutung der Kinder.

Eine Weltkarte zeigt weitere Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung durch deutsche Unternehmen. 



Forderungen an die Landesregierungen, Landtage und Kommunen

  • Bei allen Unternehmen mit staatlicher Beteiligung muss die Erfüllung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht umgehend verbindlich vorgeschrieben werden.
  • Für die Instrumente der Außenwirtschaftsförderung bedarf es gesetzlich geregelter Vorgaben und Kriterien, die eine menschenrechtliche Folgenabschätzung vorsehen und die unternehmerische Sorgfaltspflicht vorschreiben.
  • Grundsätzlich sollten Bundesländer die Unternehmen in ihrer Region bei der Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten unterstützen. Das kann durch Dialogformate wie Informations-, Beratungs-, Förder- und weitere Unterstützungsangebote passieren. Eine Möglichkeit wäre es, Formate zum Erfahrungs- und Informationsaustausch zu schaffen. So wäre z. B. ein Landesforum für Unternehmensverantwortung denkbar wie Bayern der Runde Tisch „Sozial- und Umweltstandards bei Unternehmen“. Hierfür könnte die Niedersachsen Allianz für Nachhaltigkeit einen guten Rahmen bieten. Sie hat zum Ziel, „Unternehmen auf dem Weg der nachhaltigen Entwicklung“ zu unterstützen.
  • Bei der öffentlichen Beschaffung muss die Berücksichtigung menschenrechtlicher Kriterien in der Lieferkette verbindlich werden.
     

Das kannst du tun

  • Arbeite ehrenamtlich mit bei einem Weltladen in der Nähe. Einen lokalen Weltladen findest du in Wolfsburg, Braunschweig, Gifhorn und Wolfenbüttel
  • Trink fairen Kaffee und iss faire Schokolade zusammen mit Kolleg*innen, Mitschüler*innen oder Freund*innen.
  • Kaufe möglichst regional, saisonal, bio und fair bei lokalen Einzelhändler*innen und Unternehmen ein.
  • Macht euch auf den Weg zur Fairen Kita, Fairtrade-School oder –Town oder werdet Faire Kirchengemeinde.
  • Unterstütze die Initiative Lieferkettengesetz, die Handyaktion Niedersachsen oder die Kampagne Sport handelt Fair! mit einer Petition oder Aktion.
  • Auch die Menschen der Transition Town Ortsgruppe und der Gemeinwohlökonomie Regionalgruppe freuen sich über dein Engagement. - Entrepreneurs for Future Regionalgruppe

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