Vor einem Jahr feierte der VEN e.V. sein 30-jähriges Jubiläum. Nicht nur die Generation der Gründer*innen bewegt das Thema Globale Gerechtigkeit, in den letzten Jahren ist eine große Bewegung der Klimagerechtigkeit entstanden. Während sich die Älteren fragen, wie ihr „Erbe“ an Nachfolger*innen weitergegeben werden kann, entdecken die Jüngeren politische Partizipationsmöglichkeiten . Parallele Strukturen ohne Gemeinsamkeiten? Traditionelle Verbandsstrukturen und dynamischer Aktivismus im Widerspruch? Was hat sich im Engagement verändert in den letzten Jahrzehnten? Darum ging es in einer Fish-Bowl-Diskussion im Rahmen der Landeskonferenz 2022. Rund 25 Teilnehmende folgten der Einladung zur Diskussion.
Es muss sich etwas ändern!
Egal, ob nicht mal 20 Jahre alt oder Ende 60 – die Motivation sich zu engagieren wird in vielen Fällen von diesem Gefühl ausgelöst: „Es muss sich dringend etwas ändern!“. Fing es bei manchen der Älteren mit der Frage an, ob sie „nicht auch mal andere Länder kennenlernen möchten, ist die heutige Generation der Engagierten oft schon weitgereist und global vernetzt. Allen gemein: Das starke Bewusstsein für globale Ungerechtigkeiten und die damit verbundenen eigenen Privilegien. Ältere wie jüngere Engagierte wollen hier vor Ort wenigstens einen kleinen Teil dazu beizutragen, diese zu reduzieren und ein Sprachrohr für globale Gerechtigkeit zu sein. Möglichkeiten sich einzusetzen boten und bieten sich viele.
Festes Thema contra vernetztes Engagement
In dem Diskussion berichteten ältere Engagierte, dass sie oft von konkreten Ereignissen angestoßen wurden und bei spezifischen Themen dem Status Quo etwas entgegen setzen wollten. Die Nachfolger*innen betonten hingegen, dass in den aktuellen Bewegungen die Themen miteinander verzahnt gesehen werden: Klimagerechtigkeit bezieht neben der Klimakrise z. B. auch Fragen des Kapitalismus, Kolonialismus und des Feminismus ein. Das wirkt oft zunächst irritierend und führt zu Abgrenzung: Jung fühlt sich von Alt nicht verstanden, Alt fragt sich „Was hat Klima mit Feminismus zu tun? Ist das (noch) unsere Bewegung?“. Um den Dialog zu fördern, scheint es hier sehr wichtig, das eigene Selbstverständnis zu hinterfragen, Zusammenhänge zu ergründen, voneinander zu lernen und Gemeinsamkeiten zu finden anstatt Differenzen zu verfestigen.
Freu(n)de des Engagements
Die Überforderung im Engagement hat zugenommen, die Krisen scheinen – da miteinander verwoben und komplex – größer zu werden. „Weltschmerz“ beschreibt dieses Gefühl vielleicht gut . Aber, wie ein Mit-Diskutant, der schon zu VEN-Gründungszeiten engagiert war, es ausspricht: „Das Engagement ist größer geworden. Sichtbarer!“ – die jungen Menschen gehen auf die Straße, global, gleichzeitig. Diese Einschätzung nimmt nicht den Druck aus der Notwendigkeit sich zu engagieren. Die Zustimmung zeigt aber auch: Während wir oft die „Problembrille“ aufsetzen, bleibt das Feiern von Erfolgen auf der Strecke. Das hilft gegen die Überforderung und ein Ausbrennen, oft fehlt dafür aber die Zeit. Einig waren alle Teilnehmenden der Diskussion, dass früher wie heute, die eigene Energie durch alle anderen Menschen, die mit einem gemeinsam aktiv sind, vergrößert wird. Jede*r konnte von der ein oder andere Freundschaft berichten, die durch gemeinsames ehrenamtliches Wirken entstanden ist.
Nicht alle müssen alles können
„Weil die Welt so komplex ist, neigen wir zum Pauschalisieren und Klischees.“ Über die andere Generation zu urteilen ist einfacher, als sie zu fragen und sich dabei selbst zu hinterfragen. Dabei können nur die Unterstützung finden, die selbst Schwäche zeigen. Gemeinsam mehr erreichen – was für Freundschaften gilt, macht auch Engagement stark: eigene Stärken und Schwächen aussprechen und akzeptieren. Was kann ich gut? Was kannst du gut? Wo können Ältere von Jüngeren lernen? Von welchen Erfahrungen der Älteren können Jüngere profitieren? Das gemeinsame Entdecken der Kompetenzen der jeweils anderen ist ein Schlüssel zur Zusammenarbeit.
Wandel ist und war Jetzt!
Alle Generationen des Engagements sehen sich getrieben: Ihnen läuft die Zeit davon – sei es aufgrund des eigenen fortschreitenden Alters oder aber der Notwendigkeit eines schnellen Handelns, damit wir unsere Lebensgrundlage erhalten. Wie lässt sich das eigene Erbe unter diesem Druck an neue Engagierte weitergeben? Immer wieder steht während der Fish-Bowl-Diskussion die Frage im Raum „Wie können wir Oldies unsere Formate ändern, sodass wir euch unsere Arbeit übergeben, anstatt dass ihr sie neu erfindet?“ Dabei scheinen langjährige Strukturen mit starren Prozessen – Mitgliederversammlungen, Anträge, Satzungsdiskussionen – wenig attraktiv für junge Bewegungen. Und dennoch sind sie oft notwendig, um Engagement z.B. auch finanziell zu ermöglichen. Bleibt die Frage: „Wie können notwendige Strukturen übernommen, aber mit neuen Ideen gefüllt werden?“
Reanimation oder Sterbebegleitung?
Und am Ende des Austausches gibt es einen Vorschlag: Lasst uns im Generationenwechsel prüfen, ob ein Verein gerade wirklich eine Reanimation oder vielleicht doch eine Sterbebegleitung braucht. Dies geschieht immer in einem Spannungsfeld: Zwar soll Gelerntes nicht vergessen werden, aber es sollen auch niemandem Strukturen aufgedrängt werden, die nicht in aktuelle Formate des Engagements passen. Manchmal gibt es sie, wie die Fishbowl-Diskussion gezeigt hat, dann aber doch: Diejenigen, die sich gern mit Formalitäten beschäftigen und sogar Spaß daran haben, auch in der jüngeren Generation!
Bleibt im Fazit: Zeit für Gespräch sollte auch im Drängen der Krisen immer sein. Lasst uns (weiter-) reden und gemeinsam nach unseren Stärken suchen – und so einander besser verstehen anstatt Vorurteile zu stärken!
Eva Kern, Eine Welt-Regionalpromotorin für Klima und junges Engagement bei JANUN Lüneburg e.V. in Lüneburg